
Meist zeigt man die netten Seiten von Oldenburg: das Schloss, den Lappan, die Lambertikirche und all die klassizistischen Bauten und Denkmäler. Typisch Residenzstadt eben. Doch es gibt auch ein anderes Oldenburg mit all jenen Bauten, um die sich die Denkmalpflege grade erst zu kümmern beginnt: Nachkriegsmoderne, Betonbauten und sogar Hochhäuser. Gleich am Bahnhof steht so ein extremer Bau; er stammt vom Architekten Reinhard Fritsch, ebenso wie die Bauten auf den beiden folgenden Bildern.


Freilich sind diese Häuser hier „schönfotografiert“. Doch das hat einen Sinn: Auf ihre Qualitäten aufmerksam machen und sie damit womöglich retten. Denn oft gelten gerade die Relikte der Nachkriegsjahrzehnte als Bausünden, die man abreißen kann und damit die Stadt angeblich reparieren oder verschönern. Doch auch sie formen die historische Identität einer Stadt, auch sie wurden zur Heimat von Menschen. Die Denkmalpflege sollte sich daher stärker für nur leicht angejahrte Bauten und für Alltagsarchitektur einsetzen. Nur so vermeiden wir Abriss – und das Engagement gegen Abriss und Leerstand ist die Verbindung dieser Fotos zu den Schriften des Autors dieser Zeilen. Vielleicht vermutetet man vom Autor eines Buches mit dem Titel „Verbietet das Bauen!“ ein Plädoyer nur für liebliche Altbauten, für Altstädte und historische Perlen. Aber wenn wir unsere Häuser besser nutzen sollten, dann erfordert das Wertschätzung für alle Stile und Formen. In Oldenburg bedeutet das, abseits des Residenzstadt-Erbes zu schauen. Und da gibt es manches zu sehen.


Die Wertschätzung für verschiedene Architekturen vermeidet Leerstand, denn es sind nicht nur rationale Gründe, die dafür sorgen, dass bestimmte Bürohäuser leerstehen, und dass Büronutzer vermeintlich dem Zeitgeist entsprechende Häuser bevorzugen.
Auf einer größeren Ebene führt die geringe Wertschätzung für ganze Städte und Regionen zu Problemen: In den letzten Jahren ziehen viele junge Menschen in die vermeintlich coolen Metropolen und verlassen ländliche Schrumpfgegenden, aber auch verkannte Städte, zum Beispiel Herne, Bottrop und Duisburg. Anlässlich des Zuzugs vieler Flüchtlinge verstärkten sich darum die Schwierigkeiten in Boomstädten, genug Wohnraum für alle zu schaffen. Es gibt genug Platz und wir müssten nicht neu bauen, wenn wir alle Reserven vorhandener Häuser ausnutzen – und dazu gehört auch, sie zu würdigen, egal welches Baujahr und egal welcher Standort.
Mehr zu diesen Thesen auf dem Blog Verbietet das Bauen, im Buch Verbietet das Bauen! und im Buch „Willkommenstadt. Wo Flüchtlinge wohnen und Städte lebendig werden“.

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Diskutieren Sie mit Daniel Fuhrhop am 85. Tag für Denkmalpflege am Sonntag, 18. Juni 2017 von 13 bis 17 Uhr in Oldenburg! Als Gast unseres Podiumsgesprächs spricht er mit dem Moderator Ludger Abeln über das Motto des „Altes Haus, was nun? Zwischen Wollen und Können“.
Wann? Sonntag, 18. Juni 2017 von 13:00 bis 14:30 Uhr
Wo? in der Exerzierhalle, Pferdemarkt 8, 26121 Oldenburg
Beitragsbild: Oldenburg, Bahnhofsplatz 4. Foto + Bildrecht: Daniel Fuhrhop.